Einen großen Abend hatte die Literarische Gesellschaft Crailsheim im Schloss Erkenbrechtshausen. Lars Höwel, verwandt mit den letzten von Seckendorff, las aus seinem Erstlingsroman „Familientag“ (Baier Verlag Crailsheim). Die „Geschichte einer Verschwörung“, wie der Untertitel lautet, spielt im Schloss.
Es hat einfach alles gepasst am Samstagabend. Das Wetter war wundervoll, die Luft warm und mild. Das machte sich vor allem in der Pause der Lesung bemerkbar, in der Schlossbesitzer Steffen Knödler zu Orangensaft und Sekt einlud. Der ehemalige Schüler der Gewerblichen Schule Crailsheim, durch ein Start-up-Unternehmen zu so großem Wohlstand gekommen, dass er das Anwesen erwerben und eindrucksvoll restaurieren lassen konnte, zeigte sich großzügig. Der spektakulär gestaltete Veranstaltungsraum fasst 200 Personen. Am Sonntag folgte eine Matinee, weil der Andrang so groß gewesen war, dass man auch drei Veranstaltungen hätte abhalten können.
Verleger Siegfried Baier begrüßte unter den Gästen die Nachfahren derer von Seckendorff, die auch noch zu einem echten Familientag angereist waren. Im Anschluss an die historischen Ausführungen von Stadtarchivar Volker Förtsch (siehe Extra-Artikel) führte der sichtlich gerührte Autor aus, dass er in seiner Kindheit zwei Ferienaufenthalte auf dem damals maroden Schloss habe verbringen dürfen. Aus diesen Erinnerungen heraus ist das Buch entstanden. Schreibanlass war vor drei Jahren die Frage seines jüngsten Sohnes: „So Papa, jetzt will ich endlich wissen, ob wir mit der englischen Königin verwandt sind.“
Das klingt natürlich deutlich nach Bohumil Hrabals „Ich habe den englischen König bedient“. Es wurde aber kein Schelmenroman daraus, sondern zunächst eine sehr aufwendige Recherche des IT-Spezialisten, der in detektivischer Quellenarbeit den Spuren seiner adeligen Verwandtschaft folgte. Das englische Königshaus war nicht nachweisbar. Allerdings entstand das Bedürfnis, aus den subjektiven Kindheitserinnerungen und dem reichhaltigen Material einen eigenen Plot zu entwickeln, der sich zu einem Krimi gestaltete.
Daraus las Lars Höwel vor allem Passagen aus dem Anfang des, wie er betonte, völlig frei erfundenen Romanes im Stile von: „Alles fing damit an. . .. Schon auf Seite 13 tritt zum ersten Mal der Hüne mit Namen Block auf, der der Mörder des Ich-Erzählers Malte von Seckendorff werden könnte. Der mittlerweile einzige Hausangestellte entwickelt sich zum persönlichen Alptraum, gegen den Kommissar Jonas Torwaldsen aus Crailsheim zu Hilfe gerufen wird. Höwel liest mit angenehm zurückhaltender Stimme, aber dennoch intonierend und phrasierend, sodass sich Spannung und Qualität des Textes tatsächlich mitteilen.
Das geheimnisvolle Ambiente des Romans nutzt die örtlichen Möglichkeiten voll aus. Im Veranstaltungsraum ist das Licht etwas gedimmt und da man sich am Ort der gruseligen Begebenheiten befindet, ist es kein Wunder, dass sogar noch der jetzige Schlossherr gewarnt wird. Wiedergänger in altem Gemäuer, die vor nichts zurückschrecken, scheinen vorstellbar. Wie es weitergeht, solle man sich erlesen, schlägt der Autor munter vor. Die Signierschlange nach dem Ende der Lesung zeigt, dass das viele vorhaben. Und das klangvoll von Cello (Hermann Lohrer) und Keyboard (Gerhard Schwarz) gespielte „Guten Abend, gut“ Nacht“ führt mit Johannes Brahms in die laue Nacht hinaus.
Artikel: swp.de / Autor: Ursula Richter 12.06.2013
Historiker über die Seckendorffs und ihr Schloss
Das Titelfoto des Romanes „Familientag“ zeigt das Wasserschloss um 1876. Ein solches Gebäude hat, wie die Gastgeber auch, seine Geschichte. Stadtarchivar Folker Förtsch gab einen Einblick.
Den begann er mit der Bemerkung, er sei zum ersten Mal im Schloss selbst. Der jetzige Besitzer Steffen Knödler habe es aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Förtsch begrüßte, dass es jetzt auch öffentlich zur Verfügung stehe, was die Kulturlandschaft um Crailsheim herum bereichere.
Die Historie geht, wie fast immer in solchen Fällen, weit zurück. Eine Erstnennung von 1248 erwähnt eine bereits bestehende Burg, die wesentlich kleiner gewesen sein muss als heute. Die Familie von Seckendorff ist, unabhängig von Erkenbrechtshausen, 1254 schriftlich nachweisbar. Sie waren der Reichsritterschaft zugehörig.
Der Historiker Förtsch führte in einem systematischen Exkurs aus, dass diese entweder auf freien Ortsadel oder auf Ministeriale, also gehobenen Dienst Leistende, zurückzuführen seien. Die von Seckendorff entstammten der Minsiterialität. Die Burggrafen von Nürnberg und die Markgrafen von Ansbach setzten sie vor allem auch als Offiziere ein. Es handelt sich um das zahlenstärkste Geschlecht des niederen Adels in Franken; in einer alten Urkunde heißt es, sie seien „die meisten“.
950 genealogisch zuordenbare Personen sind nachweisbar. In ungefähr 1000 Ortschaften hatten sie Besitz und Titel. Die zunächst den Herren von Crailsheim gehörende Burganlage Erkenbrechtshausen erlitt im Bauernkrieg (1525) größeren Schaden und wurde auch geplündert. Caspar von Crailsheim wurde als „Bauer Caspar“ gefangen weggeführt. Der spätere Wiederaufbau erfolgte mit einem Wassergraben und auf einer Fläche von 140 auf 100 Metern in der Dreiflügeligkeit, die auch heute einen schönen Innenhof umrahmt.
Nach dem Tod des letzten von Crailsheim auf Erkenbrechtshausen 1647 ging das Erbe auf drei Schwestern über. In diesem Zeitraum ist auch der historische Teil des Romanes „Familientag – Geschichte einer Verschwörung“ anzusiedeln. Ein von Seckendorff heiratete ein und sein Enkel erwarb 1759 die beiden anderen Besitztitel. Am 3. Januar 1948 starb Karl von Seckendorff als letzter seines Geschlechtes.
Artikel: swp.de / Autor: Ursula Richter 12.06.2013