Wie Privatleute historische Gemäuer instandsetzen und betreiben: Das Beispiel Erkenbrechtshausen
Von Heilbronner Stimme-Redakteur Heiko Fritze
Das neue Stahltor will noch nicht so richtig. Die Fernbedienung bringt es nicht in Gang, erst am Schaltkasten lässt es sich in Bewegung setzen. „Da müssen wir noch mal ran“, sagt Steffen Knödler und zuckt mit Schultern. Alltag für den 41-Jährigen: Seit bald drei Jahren ist er nicht nur Schloss- sondern auch Bauherr. So lange dauern schon die Arbeiten am im 13. Jahrhundert erstmals erwähnten Schloss Erkenbrechtshausen. 2007 hat der quirlige Unternehmer mit dem ungebändigten Haarschopf das historische Gemäuer ersteigert – für gerade mal 315000 Euro. Jahrelang stand der 3,5 Hektar große Komplex am Rande des gleichnamigen Crailsheimer Stadtteils zuvor leer. Zuletzt gehörte er der Adelsfamilie von Seckendorff, dann einem Professor und nach dessen Tod dem bayrischen Staat. 80 Räume, ein Wassergraben am Wohnbereich, ein großer Innenhof und ein Glockenturm auf dem Dach gehören dazu. Und natürlich ist die gesamte Anlage denkmalgeschützt. „Es ist gar nicht so einfach, seine Ideen damit in Einklang zu bringen“, sagt Steffen Knödler. Denkmalschutz – für ihn das Stichwort zu einem minutenlangen Monolog. Über Fenster, Dämmung, Energieeinsparung. Über Böden, Wände, Türgriffe, Dekorationen. Über den Lärmschutzwall – direkt nebenan verläuft die A6. Nächstes Jahr soll eine neue Heizanlage eingebaut werden, die Erdspeicher, Solarenergie, Niedrigtemperaturanlage und Wärmepumpen kombiniert. „Das ist das Optimale, was unter diesen Bedingungen zu machen ist“, erklärt der Schlossherr.
Karriere: Das Schloss war vergleichsweise billig zu haben – die Sanierung dürfte mehr als drei Millionen Euro verschlingen. Geld, das Knödler mit seinem früheren Unternehmen und den heutigen Projekten verdient hat: Der gelernte Maschinenschlosser kam 1995 nach seinem Maschinenbaustudium zur Lufthansa in den technischen Vertrieb. Dort hatte er seine Geschäftsidee: die Entwicklung einer Software für die Abfertigung auf Flughäfen. 2002 gründete er mit seinem Bruder Harald die Firma Proveo, die durchschlagenden Erfolg hatte: Die Software wurde weltweit eingesetzt, von Singapur über London bis zur US Air Force. Nach sieben Jahren war ein Unternehmen mit 60 Mitarbeitern herangewachsen, Knödler ständig unterwegs. „Das war eine Zeit der Hochspannung, ein ständiges Leben mit dem Risiko und der Verantwortung für die Mitarbeiter“, erinnert er sich. Am Ende verkaufte er den Betrieb an den USKonzern Zebra Technologies. „Um weiter zu wachsen, wäre viel Kapital nötig gewesen“, erklärt er. Stattdessen startete er seine Karriere als Multi-Unternehmer. Denn Knödler hat heute mehrere Firmen gleichzeitig: eine Verwaltungsgesellschaft für das Schloss, die außerdem zwei Discotheken – Kantine 26 in Crailsheim und Kantine, ehemals NCO-Club, in Schwäbisch Hall – betreibt. Die Firma Ingenia, die Projekte in der Wind- und Solarenergie umsetzt. Und die Firma Conderro, die als Renntaxi-Veranstalter und Luxusfahrzeug-Händler aktiv ist. Seine Frau hat schließlich eine Praxis für Tierphysiologie. Und trotzdem sagt der 41-Jährige: „Ich habe mir Raum geschaffen für ein wenig Freizeit.“ Obwohl er inzwischen auch als Business Angel aktiv ist oder für Jungunternehmer Kontakte knüpft, obwohl er gerade in die IHK-Vollversammlung gewählt wurde, obwohl er sein Schloss zu einem Veranstaltungsort ausbaut. „Da wollen wir nächstes Jahr so richtig durchstarten“, kündigt er an.
Veranstaltungen: Schließlich ist das Angebotsspektrum breit: Es reicht von Hochzeiten inklusive Feier-Gestaltung über Firmenkundenveranstaltungen, Tagungen, Symposien und Privatfeiern bis zum Public Viewing bei der EM. Geplant sind für nächstes Jahr ein Kunsthandwerkermarkt und eine besondere Business Lounge. „Zurzeit haben wir im Schnitt drei bis vier Veranstaltungen im Monat“, sagt Steffen Knödler. Viel mehr soll es auch nicht werden. „Ich lebe ja hier und möchte nicht jeden Tag Rambazamba.“ Momentan kommen die Kunden auseinem Umkreis von etwa 30 Kilometern, künftig würden Interessenten in bis zu 100 Kilometer Entfernung angesprochen. Erst einmal steht der eigene Umzug bevor: Der erste Bauabschnitt ist so gut wie abgeschlossen, das Ehepaar und die Praxis werden Ende November in die neuen Räume kommen. Bereits belegt sind die Zimmer in der Zukunftswerkstatt – hier bietet der Schlossherr Unternehmensgründern Raum und Infrastruktur für ihre Ideen. Ein Eventmagazin ist hier ansässig, eine Filiale einer Saarbrücker Werbeagentur, eine Eventagentur sowie die Indega und die eigene Verwaltungs- und Eventgesellschaft. „Ein Dutzend Arbeitsplätzesind hier entstanden“, sagt er. Knödler plant unterdessen den zweiten Bauabschnitt: Außenanlagen, der private Garten, Parkplätze. Und die moderne Heizungsanlage. Projekte gibt es noch viele, Ideen erst recht. Der 41-Jährige sprüht vor Energie. Und er will sein Leben als Schlossherr genießen. Trotz defekter Toranlage.
Bericht aus der Heilbronner Wirtschaftsstimme vom 20. November 2012